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24. Juni — 30. Juli 2023

Helle Fabrik, Dunkelkammer Produktion

Jochen Becker

Timm Rautert

Das Ausstellungsprojekt Helle Fabrik, Dunkelkammer Produktion von Jochen Becker ist Teil der Ausstellung Studio Stadt. Peripherien der elektronischen Musik in Berlin und München 2023. Als Studienraum in der Ausstellung bei Scharaun in Siemensstadt erweitert das Projekt den thematischen Fokus der Ausstellung mit Debatten, Walks und Gesprächen mit eingeladenen Gästen.

Thematische Veranstaltungen:

Sonntag, 25. Juni 2023 | 16h | Scharaun, Berlin
Powers of Ten.
Bildkonstruktionen am Ende der Sichtbarkeit

Gespräch und Walk mit Vera Tollmann und Jochen Becker

Mittwoch, 28. Juni 2023 | 19h | Kunstraum München
Helle Fabrik, Dunkelkammer Produktion
Vortrag von Jochen Becker

Sonntag, 9. Juli 2023 | 19h| Scharaun, Berlin
Siemens-Plania AG, VEB Elektrokohle, Dong Xuan Center.
Sichtbarmachen durch Ausstellen

Gespräch mit Peter Badel und Jochen Becker

Dienstag, 25. Juli 2023 | 19h | Scharaun, Berlin
Die Intelligenz des Werks.
Fabriken als Gehäuse des Unsichtbaren

Gespräch mit Timm Rautert und Jochen Becker


Jochen Becker / metroZones

Helle Fabrik, Dunkelkammer Produktion
oder Eine Fotografie der Siemenswerke ergibt beinahe nichts über diese Institute. Es ist also ebenso Kunst nötig.


1/ Repräsentationsdämmerung

Folgt man dem Philosophen und Künstler Daniel Rubinstein, so befinden wir uns in einer „Repräsentationsdämmerung“: Die Fotografie ist nicht mehr das Medium des Sichtbaren, sondern des Sichtbarmachens von Unsehbarem.


2/ Siemensstadt 2.0

Die großmaßstäblich angelegte „Siemensstadt 2.0“ (inzwischen umbenannt in „Siemens2“ bzw. „Siemens Square“) auf dem Gelände des alten Stammwerks – die als Unesco-Weltkulturerbe gelistete Siemensstadt 1.0 mit dem Kunstort Scharaun liegt nebenan und war nie Teil von Siemens, sondern gehört aktuell dem Wohnungsbauunternehmen Deutsche Wohnen/Vonovia – wird als High-Tech-Standort vermarktet, auch um den in Zeiten des Kalten Krieges nach München abgewanderten Konzern wieder stärker zurück in die Hauptstadt zu bringen.

Was als wachstumsfördernde Industrieansiedlung für Zukunftstechnologien angepriesen und vom Berliner Senat entsprechend hofiert wird, ist eine Mogelpackung: Steuerlich wird weiterhin München von Berliner Subventionen profitieren. Zudem ist nicht etwa die Entwicklung für Zukunftstechnologien oder die nominell nach Berlin verlagerte Krisenabteilung Siemens Energy zuständig, sondern die Immobilienabteilung Siemens Real Estate mit der ihr eigenen Verwertungslogik von Grund, Boden und Gebäuden.

Letztlich entsteht hier eine weitere neue Bürostadt: Siemens verwertet mit massiver Unterstützung durch öffentliche Gelder, Infrastrukturbauten und Verwaltungsleistungen das de-industrialisierte Areal, welches unter anderem das Glühlampenwerk von Osram beherbergte. Das heruntergewirtschaftete Werk war vor nicht langer Zeit nach China verkauft worden. Den Käufern war vor allem am europäischen Traditions-Markenname gelegen, stellten die Produktion aber sogleich auf zukunftsfähige Leuchtkörper um.

Insofern steht die Siemensstadt 2.0 trotz aller Smartness-Vermarktung für den altbekannten finanzindustriellen Schachzug, sogenannte brown fields zu konvertieren: Don’t judge the book by the cover-story.

Doch was verbirgt sich hinter Security-Zäunen mit Überwachungskameras, Gebäudemauern mit Fotografieren-Verboten-Schildern, digitalen Werbeprospekten und blumigen Zukunftsversprechungen? Wie lässt sich in Zeiten von Mikro- und Computertechnologie, von über den Globus strategisch verstreuten Lieferketten die industrielle Produktion und ihre Arbeitsverhältnisse abbilden oder gar beurteilen? Braucht es hierfür nicht erst einmal ein Instrumentarium auf der Höhe der Zeit?


3/ Brecht I

Schon 1931 bezweifelte der Autor Bertolt Brecht im häufig zitierten, jedoch selten angewandten Text Der Dreigroschenprozess, dass sich von einer Fotografie eines Industriegebäudes Rückschlüsse auf deren Produktion zulässt: „Eine Fotografie der Kruppwerke oder der AEG ergibt beinahe nichts über diese Institute. Die eigentliche Realität ist in das Funktionale gerutscht. [...] Es ist also tatsächlich ‚etwas aufzubauen‘, etwas ‚Künstliches‘, etwas ‚Gestelltes‘. Es ist also ebenso tatsächlich Kunst nötig.“

Ein Jahr zuvor bemerkte Siegfried Kracauer in Die Angestellten, dass sich „hundert Berichte aus einer Fabrik [...] nicht zur Wirklichkeit der Fabrik addieren“ lassen, denn: „Die Wirklichkeit ist eine Konstruktion.“

Der marxistische Soziologe Fritz Sternberg wiederum soll Brecht auf diesen Gedanken gebracht haben: „Gehen Sie einmal in eine Fabrik, sehen Sie, was die Unternehmer, was die Direktoren, was die Angestellten, was die Arbeiter tun. Wenn Sie all dies gesehen haben, wissen Sie gar nichts. [...] Es ist notwendig, daß vorher eine Analyse der heutigen Gesellschaft stattfindet, die nur durch die Ratio und nicht durch die Intuition geleistet werden kann.“

Nimmt man Brecht über 90 Jahre nach Verfassen seines Textes ernst, so ist eine angemessene Form der Medien- und Ideologiekritik notwendig, wie sie zeitgenössische Fotografen von Allan Sekula oder Lewis Baltz bis zu Timm Rautert oder dessen Schüler Tobias Zielony vorschlagen.

Schon die Herstellung des Foto-Films benötigt absolute Dunkelheit. „Wenn man gefragt wurde: ‚Siehst du das denn nicht?’, haben wir gesagt: ‚Nee’. Wir haben’s nicht gesehen. Aber wenn man den ganzen Tag drinnen war, dann ging das“, erzählen die wenigen verbliebenen Frauen der inzwischen abgewickelten Wollener Filmfabrik ORWO in Tobias Zielonys jüngster Arbeit Wolfen.

Bevor also eine künstlerische Analyse der Fabriken erfolgen kann, muss nach deren Darstellbarkeit gefragt werden, wenn die „eigentliche Realität“ nunmehr „in das Funktionale gerutscht“ ist.


4/ Rautert

Der konzeptuelle Fotograf, Bildreporter und ehemalige Hochschullehrer Timm Rautert arbeitete immer wieder für eine Vielzahl von Industrieunternehmen des globalen Nordens: Automobilfabriken, Flugzeugbau, Waffenproduktion, Computer- und Chipfertigungen oder die Arbeit im Großkrankenhaus sind Themen seiner Bildserien. Er beobachtet den Wandel der Arbeit und das allmähliche Verschwinden des Menschen aus den Produktionsabläufen. „Die Intelligenz des Werks findet ihren physiognomischen (darum fotografierbaren) Ausdruck nicht mehr in der gigantischen Symbiose von anorganischer Maschinerie und den organischen Körpern der Arbeiter“, schreibt Hartmut Böhme im Katalogtext zu Rauterts Gehäuse des Unsichtbaren. Bilder von der dritten industriellen Revolution (1984–1997, 2021 in eine Doppelkanal-Projektion überführt): „So wenig wir auf den Bildern zu sehen vermögen, was hergestellt oder erforscht wird – Bomben oder Eis, der Mega-Chip oder Geldgeschäfte, plasmaphysikalische Prozesse oder eine Telekommunikationszentrale, der Tornado oder eine Chemieanlage –, so wenig können die Beteiligten aus dem, was sie sehen, auch erkennen, was sie tun.“

Timm Rauterts Blick auf die Arbeitswelt untersucht die Möglichkeiten ihrer fotografischen Darstellbarkeit. Für die Bilder von der dritten industriellen Revolution entwickelte Rautert eine hochartifizielle und montageorientierte Bildsprache, um hyperkomplexe Maschinen sowie die Menschenleere und extreme Reinkeit der Fabrikation zu erfassen. Denn „nicht der Mensch muß vor den Maschinen, die Maschinen müssen vor den Menschen geschützt werden.“ Geprägt von Überwachungsmonitoren und Fertigungsautomaten, die den Blick auf Arbeitsvorgänge und Produkte verwehren, stellt die Unsichtbarkeit vor allem der digitalen Prozesse die Industriefotografie in Frage. „Jetzt sehen wir: die leere Fläche eines Tischs mit einem Großbildschirm, der den davor sitzenden Mann optisch zerschneidet. Seine Hand hält einen elektronischen Stift, der jeden Impuls auf den Bildschirm überträgt. – Ein Büro, helles Licht, weite glatte Flächen, große Tische, Rechner, Bildschirme, drei Männer. Sonst nichts.“ (Hartmut Böhme)


5/ Sekula

Fish Story (1989 – 1995) ist die wohl bekannteste Arbeit des konzeptuellen Fotografen, realismuskritischen Kunsttheoretikers und filmenden Lehrers Allan Sekula. Der mehrteilige Bildzyklus wirft Fragen nach einer zeitgenössischen Ikonografie von Produktion und Arbeit in Zeiten der Globalisierung auf. Fish Story ist aber auch eine Arbeit über die Dokumentarfotografie im Kunstbetrieb. Sekula reflektierte die Bildproduktion von Arbeit in Sozial- sowie Kunstgeschichte gleichermaßen: Sekulas Fish Story betrachtet die Container-Schifffahrt (und nicht etwa das Internet) als Motor der Globalisierung. Seine Aufmerksamkeit gilt weniger Fragen von immaterieller Arbeit, dem kognitiven Kapitalismus oder gar dem Ende der Klassengesellschaft. So sind in seinen Arbeiten stets materialisierte Arbeit und körperlich Arbeitende präsent, gerade weil diese Arbeit nicht verschwindet, sondern global verlagert und tendenziell unsichtbar (gemacht) wird.

Die Maschinen im automatisierten Hafen von Rotterdam – so wie es das Forschungsprojekt Automated Landscapes des Nieuwe Instituut Rotterdam erst kürzlich erkundete – fahren kameragesteuert durch das riesige Gelände, um die Fracht zu bergen. Sekula musste einst aufpassen, nicht von den robotisierten Kranwägen überfahren zu werden. Am anderen Ende der Produktionskette wiederum achten die Firmen darauf, dass die ausbeuterische Produktion und die dagegen protestierenden Arbeiter:innen möglichst nicht ins Bild kommen.


6/ Brecht II | Müller

Von Siemens-Plania zu Dong Xuan heißt ein Forschungs- und Ausstellungsprojekt des Fotografen Holger Herschel, Kameramanns Peter Badel und Architekten Karl Karau über den radikalen Wandel der Siemens-Plania AG zum VEB Elektrokohle und dessen Konversion in das vietnamesische Handelszentrum Dong Xuan in Berlin-Lichtenberg. Eine zentrale Rolle spielte hierbei der Mauerer und Aktivist Hans Garbe, der 1949/50 die Produktivität der Siemens-Ringöfen für die Herstellung von Industriekohlestiften massiv steigern konnte, deshalb als „Held der Arbeit“ ausgezeichnet und zugleich als „Lohndrücker“ geächtet wurde. Bertold Brecht hat hierzu über lange Jahre an einem Theaterstück (bekannt als Büsching-Fragment) gearbeitet, die Familie Garbe mehrfach getroffen, doch nach dem Massenaufstand am 17. Juni 1953 verlor sich der Zugriff auf das Material.

In Brechts Nachfolge schuf der Autor Heiner Müller gemeinsam mit seiner Frau Inge das 1958 uraufgeführte Theaterstück Der Lohndrücker, welches er 30 Jahre später, kurz vor dem Kollaps der DDR, am Deutschen Theater in Ost-Berlin selbst inszenierte. Das Stück thematisiert den schwierigen Anfang einer neuen Gesellschaft im Aufbau. Im Dezember 1989 traf sich Müller mit der Regierungsdelegation um François Mitterrand und brachte dessen Kulturminister Jack Lang mitsamt Entourage zum ersten Konzert der Einstürzenden Neubauten in der DDR – ausgerechnet im Kultursaal des VEB Elektrokohle. Der Filmemacher Uli M. Schueppel hat dies in seinem Dokumentarfilm Elektrokohle (Von Wegen) festgehalten.

Mit ausführlichen filmischen Porträts gibt das von Herschel/Badel in Buchform dokumentierte Projekt eine alternative Vorstellung von Industrie-Nachnutzungen etwa in Form kosmopolitaner Marktplätze unter Industriedächern. Inzwischen ist noch ein zweites, afghanisch-pakistanisches Handelszentrum hinzugekommen und wird ebenfalls von Anwohner:innen wie auch Großkunden stark frequentiert.


7/ Nono

Der venezianische Komponist und Kommunist Luigi Nono – ein guter Freund Heiner Müllers – hat mit seiner Tonstudio-basierten Komposition La Fabbrica Illuminata für Stimme und Tonband von 1964 ein in mehrfacher Hinsicht grundlegende Arbeit produziert. Hierzu verbrachte er mehrere Tage für Tonaufnahmen und Gespräche mit den Arbeiter- und Gewerkschafter:innen in einem Walzwerk in Genua. Die anschließende intensive Kooperation Nonos mit der Sängerin Carla Henius bei der Komposition und späteren Aufführung sowie mit dem RAI Studio of Phonology (nun im Museum für Musikinstrumente Mailand ausgestellt) bei der Aufzeichnung und elektronischen Überarbeitung des Klangmaterials kombinierte Lärm und Klang, Musik und Gesang mit Aussagen zu Fabrikarbeit und Poesie. Carla Henius sang quasi mit sich selbst, umgeben von vier Lautsprechern: Die „Helle Fabrik“ wurde von innen heraus, im Widerhall der elektronisch bearbeiteten Komposition, akustisch ausgeleuchtet.

Im Gespräch mit Hansjörg Pauli erläuterte Luigi Nono 1969, was er erlebte, als er diese Komposition italienischen Arbeiter:innen vorführte und mit ihnen diskutierte: „Niemand wunderte sich, ob das noch Musik sei, und niemand meinte, allenfalls ginge solche Musik als Begleitung zu science-fiction im Fernsehen. Ganz direkt wollten die Arbeiter wissen, wie das komponiert sei, wie aus Fabriklärm und Tarifverträgen Musik werden könne. Sie bezogen, was sie hörten, sofort auf sich. Und dann warfen sie mir vor, die Geräusche in meinem Stück, in La fabbrica illuminata, seien bei weitem nicht so stark wie die, die sie gewöhnt seien. Das fiel ihnen auf. Sie sahen ein, daß sie bisher wie Roboter in die Fabrik gegangen waren und ihre Arbeit getan hatten, ohne weiter darüber nachzudenken. Jetzt wurde ihnen, durch den Vergleich, plötzlich bewußt, unter welchen akustischen Bedingungen sie arbeiteten, und sie begannen sich zu überlegen, ob das denn so sein müsse, und ob es nicht eine Möglichkeit gebe, das zu ändern.“

Aus Nonos experimentellen Arbeiten mit Studiotechnik und Raumsituation entstand die „tragedia dell'ascolto“ (Tragödie des Zu-Hörens) Prometeo. Bei der Uraufführung 1984 baute der Architekt Renzo Piano eine Holzarche für verteilt aufgestellte und via TV-Monitore mit der Klangregie verbundene Musiker- und Sänger:innen sowie Lautsprecher. Die sich ständig verändernden Raumklangskulpturen wurden durch die Live-Elektronik des mitten im Geschehen eingerichteten Experimentalstudios des SWR ermöglicht.

An der Westberliner Erstaufführung von Prometeo 1988 in Hans Scharouns Philharmonie waren über 70 Musiker:innen beteiligt. Vier Orchester, ein Chor, zwei Sprecher - und fünf Sänger:innen, zusätzliche Bläser- und Streichergruppen verteilten sich über die Bühne und den Zuschauerraum ebenso wie zwölf Lautsprecher über die ganze Philharmonie, um elektronische Klangmodifikationen und Live-Verfremdungen im dreidimensionalen Raum wandernd wiederzugeben.


8/ Eames

Das Ehepaar Ray und Charles Eames prägten die US-Bilderwelt des militärisch-industriellen Komplexes inmitten des Kalten Kriegs. Ihr im zweiten Anlauf fertiggestellter, legendärer Kurzfilm The Powers of Ten von 1977 zoomt – ausgehend von der Hand eines Mannes – in die Weite des damals bekannten Weltraums sowie in die mikroskopische Welt der Atome hinein. Wie die Kulturwissenschaftlerin Vera Tollmann in ihrer jüngsten Publikation Sicht von oben. ‚Powers of Ten’ und Bildpolitiken der Vertikalität deutlich macht, waren viele der dokumentarisch anmutenden Bilder eher künstlerische Halluzinationen. The Powers of Ten ist bis heute ein lohnendes Studienobjekt über Bildkonstruktionen am Ende der Sichtbarkeit: „Die kunsthistorische Zentralperspektive hat sich in ein maschenartiges Netz verstreuter Brennpunkte, Sensoren und Perspektiven aufgelöst und das Bildmaterial hat sich exponentiell vervielfacht.“


9/ Farocki

Wie „sehen“ autopilotierte Autos die Städte, die sie durchkreuzen? Welche Räume misst schon ein einzelner autonomer Staubsauger aus, und wie erkundet das elektronische Band am Arm einer Amazon-Mitarbeiter:in deren Performance quer durch die Lagerhallen? Mit Kameraauge und Sensoren lesen diese „smarten“ Geräte unsere plattformisierte Welt aus, treten untereinander in Kontakt und verstärken so ihre Prozessualität.

Das Terrain ist den autonomen Vehikeln in Form digitaler Karten eingeschrieben: Als „Roboter, die ihren Betriebsraum gespeichert haben” beschrieb der Essayfilmer Harun Farocki diese Entwicklung. Auf Basis digitaler Karten lesen die Maschinen ihre Umwelt weiter aus, so dass die Roboter bald schon einen eigenen, neuen und erweiterten “operational space” (Betriebsraum) vorliegen haben.

Können wir der maschinenlesbaren Welt noch folgen, wenn ihre rein algorithmischen Bildlogiken nur mehr mühsam ins menschliche Maß übertragen werden können? Die digital erfassenden Maschinen, welche vermehrt untereinander in einem codierten Dialog stehen, übersetzen dem menschlichen Auge ihre Bilder, die ursprünglich „nicht auf ein menschliches Auge zielen würden. Ein Rechner kann zwar Bilder verarbeiten, braucht aber keine wirklichen Bilder zur Verifikation oder Falsifikation dessen, was er in einem Bild liest. Dem Rechner genügt die Repräsentation im Rechner selbst.“ (Harun Farocki)

Farocki erkundet eine maschinengelesene, eine maschinenlesbare Welt der Sensoren und Rechner in Bewegung. „Operative Bilder“ (operational images) bezeichnet er die von ihm präsentierten Industriefilme sowie die Kriegspropaganda sogenannter “smarter” Bomben: „Das sind Bilder, die einen Prozess nicht wiedergeben, die vielmehr Teil eines Prozesses sind. Schon die Cruise Missiles der 80er Jahre hatten das Bild einer realen Landschaft gespeichert und nahmen beim Überflug ein aktuelles Bild auf, die Software verglich die beiden Bilder. [...] Viele operative Bilder sind von farbigen Hilfslinien durchzogen, die die Arbeit des Erkennens zur Darstellung bringen sollen. Die Linien teilen nachdrücklich mit, worauf es in den Bildern ankommt und ebenso nachdrücklich, worauf es auf keinen Fall ankommen soll.” Diese digital eingestanzten Pfeile, Hilfslinien oder Koordinaten braucht die Maschine nicht mehr. Sie sollen der menschlichen Betrachter:in eine Hilfestellung geben, um diese Bilder überhaupt lesen und interpretieren zu können.

Ausstellungsansichten Studio Stadt: Helle Fabrik, Dunkelkammer Produktion. Fotos: Jochen Becker