Drei Charaktere zeichnen ein Porträt des Berliner Siemens-Arbeiterviertels, welches zu einem Freiluftmuseum mit Gebäuden im internationalen Stil wurde. Ihre Geschichten der Loslösung zeigen den Wandel der deutschen Arbeiterfamilie innerhalb des utopischen Lebensraums, der für sie geschaffen wurde. Der Film Wir Siemensstädter erzählt aus dem gegenwärtigen Leben dieser Menschen: Hafizas Familie, ursprünglich aus Ghana stammend, veränderte das gesamte Erscheinungsbild der Wohnung von Hans Scharoun, indem sie seinen modernistischen Geschmack herausforderte, vielleicht gleichzeitig aber gerade radikal seine sozialistische und doch weiße Vision erfüllte. Stephan, der einsame Siemens-Mitarbeiter, wird nicht von seinen Kollegen umarmt, sondern verbringt seine Pausen schlafend auf dem Tisch; und Suzan, eine Jüdin, kehrt zurück, um mit ihrem jugendlichen Sohn in einem so genannten "Nazi"-Gebäude zu leben. Der Film von Ofir Feldman ist Teil des Filmprojekts BAUHAUS REMAINS, das von der Steve Tisch School, der Universität Tel Aviv und der Fakultät für Kunst und Design der Bauhaus-Universität Weimar produziert wurde.

Das Forschungsprojekt Two Houses an der Professur Entwerfen und Wohnungsbau an der Bauhaus-Universität Weimar beschäftigt sich mit den Verflechtungen zwischen dem Bauhaus und Japan vor dem Hintergrund zweier Häuser in den Vororten von Tokio – Migishi Atelier and Bunzo Yamaguchi House. Die Häuser wurden in den 1930er und 1940er Jahren von den japanischen Architekten Iwao Yamawaki (1998-1987), der am Bauhaus in Dessau studierte, und Bunzo Yamaguchi (1902-1978), der zu dieser Zeit im Büro von Walter Gropius arbeitete, entworfen und sind bis heute in privatem Besitz. Das Migishi Atelier beherbergt eine zierliche und gleichzeitig skulpturale gewendelte Stahltreppe, die zu einem Tatami-Zimmer auf einer Galerie führt und unmittelbar hinter einem großen und raumhohen Südatelierfenster gelegen ist. Die Janusköpfigkeit der Architektur des Bunzo Yamaguchi House vereint europäische und japanische Einflüsse, die sich im Garten, den Nebengebäuden mit den ursprünglichen und heutigen Nutzungen sowie im Inneren des Hauses weiter fortsetzen. Der Film Two Houses (2019) dokumentiert die Architektur der Häuser und erzählt die Geschichten ihrer Bewohner*innen und deren Alltag in und mit den Gebäuden.
Regie: Verena von Beckerath; Regieassistenz: Niklas Fanelsa, Momoko Yasaka, Maximilian von Zepelin; Kamera, Ton, Schnitt: Jens Franke

Nyx, betitelt nach der Göttin der Nacht, nimmt die Zuseher_innen mit auf die psychedelische Reise des jungen Kurden Furat. Nach „nur zwei Bier“ auf ihm selbst unerklärliche Weise berauscht, gerät seine nächtliche Heimfahrt mit der U-Bahn zu einem Trip durch die Unterwelt. Das Setting des Films bilden die zwischen 1971 und 1984 von Rainer Rümmler gestalteten Stationen der Berliner U-Bahnlinie U7, die zwischen Neukölln beziehungsweise Kreuzberg –den Wohnvierteln türkischer Einwanderer – und Spandau verkehrt. Deren ornamentale Architektur mit zahlreichen Details im Art Deco und Orient-stil führt Furat in weitgehend leerem nächtlichen Zustand auch durch Siemensstadt.

Über einen Zeitraum von mehreren Jahren hat Nina Könnemann eine Kamera vor einer Plakatwand im Berliner Bezirk Neukölln platziert. Das stumme Video What's New entlarvt die ebenso banalen wie paradoxen Zeit- und Raumpassagen der Passanten und beleuchtet gleichzeitig die Transformation des öffentlichen Raums. Die Ausstellungsfläche - das Billboard - wird zu einer Wand, hinter der sich die Faszination des Kunstwerks konzentriert. Das Video zeigt Individuen, die hinter die Plakatwand gehen, um zu urinieren, Drogen zu nehmen, sich mit maskierten Verhaltensweisen hinter dem zur Betrachtung vorgesehenen Objekt, der Plakatwand, zu treffen. Der öffentliche Raum verwandelt sich in einen intimen Ort, den die Künstlerin nicht zu enthüllen versucht, im Gegenteil steigert sich die Phantasie weiter über das Mögliche, ins Unmögliche. Text: Joseph del Pesco

Im nächtlichen Neapel durchstreifte Tobias Zielony mit Hilfe einer hochauflösenden Digitalkamera die spärlich bewohnte Architektur eines von der Camorra kontrollierten Wohnprojekts, das zwischen 1962 und 1975 nach Entwürfen von Francesco di Salvo errichtet wurde. Mit dem Finger auf dem Auslöser, permanent Fotos produzierend, fasste er die Tausende von Einzelbilder anschließend zu dem Fotoanimationsfilm Le Vele di Scampia zusammen. Je nach Lichtverhältnissen nimmt die Kamera geräuschlos mehr oder weniger Bilder pro Sekunde auf. Als Film geschnitten, läuft die Sequenz schneller, dann langsamer als in Echtzeit ab. Das Ergebnis ist ein Stakkato-artiges, stummes Porträt der Nachbarschaft, die berüchtigt wurde, nachdem sie als Kulisse für die Verfilmung von "Gomorrah" diente.

Untitled [Two Guys] ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit mit zwei Kreuzberger Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Basierend auf einem fiktionalisierten Drehbuch bewegen sich die beiden Protagonisten durch soziale und architektonische Räume und besetzen diese ästhetisch. Ihr bewegtes Spiel mit einem reichhaltigen Repertoire an Körpersprache, modischen Gesten und raumgreifender Musik steigert die ambivalente Beziehung zwischen den beiden und der Kamera, die, ihnen stetig folgend, nicht so sehr einfängt, sondern projiziert. Die allumfassende Medialität manifestiert sich in zufälligen Ausbrüchen immanenter Gewalt. Untitled [Two Guys] erfasst und dekonstruiert das Funktionieren (sub)kultureller Codes in einer "globalisierten Gesellschaft" und die Mechanismen der Bildproduktion und Reproduktion.

In Porto, 1975 führt uns der subjektive Blickwinkel der Kamera durch ein weiteres emblematisches Beispiel der portugiesischen Geschichte aus den 1970er Jahren, dank einer einzigen langen Aufnahme, die die gesamte Dauer einer 16-mm-Spule umfasst. Bouça war ein Sozialwohnungsprojekt, das 1973, kurz vor dem Ende von Salazars Estado Novo, initiiert und von einem Architekten konzipiert wurde, der später international bekannt werden sollte: Álvaro Siza. Das Projekt befindet sich am Rande des Stadtzentrums von Porto, an einem besonders schwierigen Standort. Nur ein Viertel der Gebäude war fertiggestellt, als die Arbeiten nach dem Putsch im November 1975 eingestellt wurden. Im Jahr 1999 wurde beschlossen, eine Renovierung und einen Wiederaufbau vorzunehmen. Die Bauarbeiten wurden 2001 wieder aufgenommen und 2006 abgeschlossen. Césars Kamera wandert leicht um die Wohnsiedlung herum, durchquert eine Wohnung und hält in einem Architekturbüro an, das in dem Gebäude untergebracht ist, das eigentlich der Kindergarten hätte sein sollen.

Allee der Kosmonauten besteht aus einer Einzelaufnahme, die über den Fußgängerweg in der "Allee der Kosmonauten", Berlin-Marzahn, reist und von Super-16 mm auf DVD überspielt wurde. Die Allee, benannt nach Sigmund Jähn und Waleri Fjodorowitsch Bykowski, deren Weltraumfahrt die Beziehungen zwischen Ostdeutschland und der Sowjetunion festigen sollte, ist ein Wahrzeichen des ehemaligen Ost-Berlin. Das Video, mit der technischen Unterstützung eines Krans und einer Steady-Cam aufgenommen, zeigt eine subjektive Kameraeinstellung eines Spaziergangs auf der "Allee der Kosmonauten". Beginnend mit einer POV auf normaler Augenhöhe, löst sich die Kamera allmählich von der Schwerkraft und steigt bis in 8 Meter Höhe auf - wie in einem Tagtraum, der vom kommunistischen Kosmos heimgesucht wird.

Klub 2000 ist eine Reaktion auf die Zeit nach 1998, als im Zuge der Gentrifizierung und des Stadtumbaus das Gefühl eines Aufbruchs in der Mitte Berlins zu verblassen begann. Gelangweilt von der Überfülle an Bars, Clubs und Cliquen und auf der Suche nach einem Ausweg aus der Komfortzone, die "Mitte" geworden war, zieht ein junges Paar in den Außenbezirk von Marzahn. Dort angekommen, wie-auch-immer, umgeben von mehr stöckigen Betonsilos und Hotdog-Buden, verfliegt die anfängliche Begeisterung für die Eröffnung eines neuen Clubs in der Gegend. Die Atmosphäre in dieser riesigen Wohnsiedlung entspricht nicht ihren Erwartungen, und der kühne Neuanfang am Stadtrand entpuppt sich allmählich als bloßer Adresswechsel: Der Ort ist zwar neu, aber die alte Klientel aus Mitte wird noch immer bedient.

Die Fahrt durchs Haus. Georg Heinrichs Architekturskulptur-struktur : Sarah ist im Märkischen Viertel aufgewachsen. Sie beginnt, sich mit dem Werk eines der Architekten dieser Westberliner Siedlung auseinanderzusetzen und entschließt sich, dessen Bauten aufzusuchen. Der Architekt Georg Heinrichs lebt in einem Haus, das wie wohl kaum ein anderes das Wesen seines Bewohners wider-spiegelt. Es ist ein Universum von Kunst, Design, Proportion und Moral. Er resümiert sein Leben und kommt zum Schluss, es sei an Irrationalität und Absurdität nicht zu übertreffen.

In 1000 Jahre sind ein Tag amalgamiert Manuel Graf das Setting eines Computerspiels mit der Melancholie der Postmoderne. Während Schlagerstar Udo Jürgens 1000 Jahre sind ein Tag singt, drehen sich auf dem Schallplattenspieler ruinenhafte Architekturmodelle vom antiken Tempel bis zum neuzeitlichen Bürogebäude und die psychedelische Traummaschine von Brion Gysin wirft pyramiden förmige Schatten an die Wände von Frank Lloyd Wrights „Playroom“ in Oak Park. Mit der animierten Kamerafahrt über eine postmoderne Platzanlage Düsseldorfs, die an die Ego-­Shooter­-Perspektive von Videospielen erinnert, schlägt Graf einen weiteren medialen Bogen zur Alltagskultur der Jugend.

Manuel Grafs beschäftigt sich in Über die aus der Zukunft fließende Zeit mit der Idee von Zeit und der Frage, wie Neues in die Welt kommt. Das Video beginnt mit einer abstrahierten Umsetzung von Frank Lloyd Wrights Haus Fallingwater . Der Fluss der Zeit wird durch das schematische Bild einer Brücke dargestellt. Von der einen Seite fließt die Zeit aus der Zukunft, von der anderen aus der Vergangenheit. Beide Zeitstränge treffen sich in der Mitte, wo ein Stück Gegenwart abbricht und in Claude-Nicolas Ledoux’ Schleusenwärterhäuschen stürzt. Kernstück der Arbeit ist ein Vortrag über die Evolutionstheorie nach Otto Heinrich Schindewolf von Grafs ehemaligen Geschichtslehrer und heutigen Freund Ekkehard Wallat, demzufolge die Zeit in zwei Richtungen verläuft .

Vostok, Faretheewell erzählt die Geschichte von Yukitomo, einem japanischen Designer, der als Tourist in Berlin ankommt. Er erhält einen unerwarteten Anruf von einer koreanischen Filmproduktions Firma, die ihn bittet, ein 3D-Computermodell für ein Raumschiff namens "Wostok" zu entwerfen, das in einem Science-Fiction-Film erscheinen soll. Unser Held verbringt den Film in Berlin, anscheinend ohne Richtung und Zweck. Während er umherwandert, fotografiert er Materialien und Oberflächen als Inspiration für sein eigenes Design. Seine Bemühungen, ein Science-Fiction-Raumschiff zu entwerfen, werden zu einer Expedition in die Vergangenheit Berlins, denn er begegnet Gebäuden, die in verschiedenen Epochen unter verschiedenen Herrschern alle möglichen Funktionen erfüllt haben. Durch die Verwendung alter Super-8-Filmtechniken erreicht Graydon paradoxerweise eine zeitlose Qualität, die seinem Film - ähnlich wie dem aufstrebenden Raumschiff - eine utopische Note verleiht.

Error konzentriert sich auf eine elektrische Störung in einer Straßenlaterne auf dem Berliner Alexanderplatz - das rhythmische Flackern scheint fast inszeniert zu sein; diese Störung, jene Momente, in denen die Lichter ausgehen, markieren ihre fast unheimliche Präsenz. Interessanterweise zeigt die Laterne sich erst genau dann, wenn sie plötzlich verschwindet. Yoshida erzählt diesen merkwürdigen öffentlichen Vorfall, der sich Nacht für Nacht direkt vor seinem Atelier ereignet, aus einer stillen persönlichen Reflexion der eigenen entfremdeten Präsenz inmitten einer städtischen Umgebung, in der ein überwältigendes Netz von Funktionen versucht, uns zu leiten, damit wir nicht im Dunkeln tappen müssen.

Die Hütte basiert auf einem Auszug aus dem Roman Alte Meister von Thomas Bernhard. Das Fragment erzählt unter anderem von einem kleinen Dorf (bei Freiburg) im Schwarzwald, wo sich Heidegger 1922 eine Hütte bauen ließ. Diese Hütte befindet sich noch heute im Besitz der Familie Heidegger, ist aber für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Der Film könnte als Porträt dieser Hütte gesehen werden, mit Bildern aus der Umgebung, wie z.B. denen, die die erste Skipiste Deutschlands zeigen. Neben der Präsenz der Hütte - in der Heidegger Sein und Zeit schrieb und sich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verschanzt hat - und mittels eines Voice-Overs (Bernhards Text) werden Heideggers Charakter und Philosophie und die Kultur, die beides hervorgebracht hat durch Bernhards Sprachgewitter buchstäblich ins Lächerliche gezogen.

Das Bauministerium, wie viele Unternehmen und öffentliche Einrichtungen in Japan, hat seine eigene Hymne. Der Text von Utopia Song, unverändert seit 1948, beinhaltet "Asphalt, der die Berge und Täler bedeckt... eine herrliche Utopie". Vorbei sind die Zeiten, als das japanische Bauministerium einfach nassen Beton über Hänge giesst. Der heutige Erdbau verwendet Beton in unzähligen erfinderischen Formen: Platten, Stufen, Stäbe, Ziegel, Rohre, Stacheln, Blöcke, hervorstehende Noppen, Gitter, Sechsecke und Drahtnetze. Nach jahrzehntelangem Bauen ohne besonderen Zweck und zur Unterstützung der Bauindustrie ist das Erbe überall sichtbar, kaum ein einziger Hang steht frei von riesigen Zementplatten, die zur Vermeidung von "Landschaftsschäden" gebaut wurden, auch wenn viele davon meilenweit von jeder menschlichen Behausung entfernt liegen.

Am Fuße des Vulkans Mount Fuji liegt der dunkle und dichte Wald, Aokigahara, der seine seine Hänge bedeckt. Der Wald wurde nach der Golden Gate Bridge in San Francisco zum „zweitbeliebtesten Selbstmordort der Welt“. Seit drei Jahrzehnten haben mehr als tausend Menschen im so genannten Suicide Forest ihr Leben verloren. Die Menschen geben einem Roman von Matsumoto, Schwarzes Meer der Bäume , "Kuroi Jukai", der 1978 veröffentlicht wurde, die Schuld daran. Er erzählt die Geschichte zweier Liebender, die im Wald gemeinsam Selbstmord begehen. Aber Kuroi Jukai ist eindeutig nicht allein verantwortlich. In einem Roman aus den sechziger Jahren, Die Pagode der Wellen , war eine Frau zu sehen, die sich in Aokigahara das Leben nahm. Die Geschichte wurde später in eine Fernsehdramaserie umgewandelt. Ein im Jahre 1993 veröffentlichtes Bestseller Buch mit dem Titel The Complete Manual of Suicide empfahl den Wald schliesslich als den perfekten Ort, um das Ganze zu beenden.

Zwischen Dokumentation, historischer Rekonstruktion und Melodrama changierend, beleuchtet The Empty Plan das Verhältnis von Theorie und Praxis im Theater von Bertolt Brecht. Der Film stellt Szenen aus Brechts Exil in Los Angeles (1941 bis 1947) den Inszenierungen seines Theaterstücks Die Mutter aus dem Jahr 1931 in der späten Weimarer Republik, im New Deal Amerika und in der DDR-Nachkriegszeit gegenüber und untersucht verschiedene Aufführungsformen und ihr Verhältnis zu den sich verändernden historischen und politischen Umständen. Der Titel des Films stammt aus Brechts Dialoge aus dem Messingkauf , einem unvollendeten theoretischen Werk, das während seines Exils entstanden ist und die Möglichkeiten der "engagierten Kunst" und ihre praktischen, theoretischen und formalen Grenzen zu einer Zeit untersucht, als die revolutionären Massenbewegungen besiegt worden waren und das Theater vom Hollywood-Kino als dominierende Form der populären Unterhaltung verdrängt wurde. Anhand der Figuren von Brecht, seiner Mitarbeiterin Ruth Berlau und seiner Frau, der Schauspielerin Helene Weigel, reflektiert der Film widersprüchliche persönliche, künstlerische und politische Ambitionen und wirft Fragen über das Wesen der Kunst und den unerfüllten Traum von ihrer Verdrängung durch die revolutionäre Praxis auf.

Der Film White City dreht sich um die komplexe Figur von Arthur Ruppin (1876-1943), einem der „Väter der zionistischen Siedlungsbewegung“ der sich vor der Gründung des Staates Israel für die Koexistenz mit den Palästinensern einsetzte. Ruppin war auch ein begeisterter Forscher der Rassentheorie, was sein Motiv zu erklären vermag, dass er Hans F.K. Günther (1891-1968), dem deutschen Rassenforscher und Eugeniker, der später einen großen Einfluss auf das nationalsozialistische Rassendenken ausübte, einen Besuch abstattete. Der Film zeigt Arthur Ruppin bei einer Begehung der Weissenhofsiedlung, einem für seinen modernen Architekturstil berühmten Stadtteil Stuttgarts, währenddessen er diverse Rückblenden erlebt, die seine Ansichten widerspiegeln. Die Monologe und Dialoge in diesem Film basieren hauptsächlich auf Ruppins Tagebüchern.

In seinem Video Fields of Neutrality inszeniert Dani Gal ein fiktionales Fernsehinterview zwischen einer Journalistin und Mies van der Rohe. Konfrontiert mit kritischen Fragen, reflektiert der Architekt am Ende seines Lebens über Wechselwirkungen zwischen seiner beruflichen Laufbahn und den politischen Ereignissen. Das Gespräch dreht sich um Mies' Konflikt mit kommunistischen Studierenden am Bauhaus, seine Verhandlungen mit dem NS-Chefideologen Alfred Rosenberg und Vertretern der Gestapo um das Fortbestehen des Bauhauses, seine Avancen und Rückschläge unter dem NS-Regime, seine Emigration sowie seine Vorstellungen von politischer Neutralität.

Amy Siegels Film The Architects ist eine Kamerafahrt durch verschiedene Architekturbüros New Yorks – von der Fifth Avenue über Downtown Manhattan und bis nach Brooklyn. In parallelen Kameraeinstellungen und fließenden Zeitachsen portraitiert Siegel die Großraumbüros verschiedener Architekturfimen und gibt einen luziden Einblick in die hochgradig vernetzte Produktion globaler Architektur. Der Blick in diese Welt wird systematisch durch die Representationsbedingungen gebrochen; Fassaden, Modelle, Bildschirme, Entwürfe und Fenster bilden in Siegels Film die Architekturen des Sehens und führen den Betrachter an die Schauplätze architektonischer Praxis. Von den endlos erscheinenden Schreibtischreihen der Architekturbüros hin zu den Oberflächen digitaler Entwurfspraxis, deckt The Architects die Typologie gegenwärtiger Architekturproduktion in Ähnlichkeit und Differenz auf - und setzt diese stets in Gegenschnitt zur realen Aussenwelt Manhattans.

Der Film Die Stadt von Morgen von Korpys/Löffler ist parallel zum 50. Jahrestag der Interbau 1957 im Hansaviertel in Berlin Tiergarten entstanden. Im Rahmen einer Installation in der Akademie der Künste am Hanseatenweg mieteten Korpys/Löffler das gläserne Unter-geschoss des Eternithaus von Paul R. Baumgarten. An einem Morgen entfernten sie einen der 7,5 m langen Baumstämme aus den Schotten des Objektes 13, einem achtgeschossigen Wohnhaus von Egon Eiermann und gingen mit diesem in einer Art Prozession durch das Hansaviertel bis zum Eternithaus. Dort angekommen benutzten Korpys/Löffler den Stamm, um eine Anzahl von ausgewählten Designmöbeln- und Objekten zu manipulieren und fotografisch zu dokumentieren. Die Filmbilder die beim Durchschreiten des Viertels entstanden sind, verbinden sich auf integrale Weise mit den Aufnahmen eines anonymen Stadtbildchronisten aus dem Jahr 1953, der ausführlich die verbliebenen Häuser und Ruinen des in den 1880er Jahren erbauten Berliner Hansaviertels filmte. Auf den Fundamenten der Ruinen entstand ab 1957 eine prestigeträchtige Sozialwohnsiedlung als Zeichen für den deutschen Neuanfang, die sogenannte „Stadt von Morgen“.

1996 unternahmen Korpys/Löffler eine Amerika-Reise, bei der sie sich intensiv mit drei symbolhaften Gebäuden und deren Architektur beschäftigten. Mit einer Super-8-Kamera filmten sie rund um und im World Trade Center, bei den Vereinten Nationen und am Pentagon architektonische Details, Gebrauchsgegenstände, den Autoverkehr, öffentliche Skulpturen und Bilder, Passanten und Wartende. Dieses Material schnitten sie zu drei kurzen, in sich abgeschlossenen, zugleich aber von einer gemeinsamen Tonspur zusammengehaltenen Filmen, die ganz bewusst mit der Bildästhetik der sechziger Jahre spielen. Über Kameraführung, Schnitt und Ton baut sich hier eine dramaturgische Spannung auf, die abgeleitet von den Sehgewohnheiten des amerikanischen Kinofilms beunruhigend und zwangsläufig auf ein finales Ereignis hinzuführen scheint – eine Erwartung, die die Filme bis zum Schluss nicht einlösen und ins Leere laufen lassen. Zugleich spielen Unschärfen, ruckartige Kamerabewegungen und das Flackern des Filmvorführgerätes nicht nur auf den mit der Einführung des Kodak-Kassettenfilms 1965 immer beliebter werdenden privaten Filmabend an, sondern sie unterstützen auch den Eindruck authentischer Zeugenschaft, wie er spätestens mit den Aufnahmen des Kennedy-Mordes manifest wurde. Realität und Fiktion vermischen sich in diesen Amerika-Filmen auf eigenartige Weise.

Reflecting Absence (2016) steht in enger Verbindung zu den 19 Jahre früher entstandenen Filmen World Trade Center, United Nations, Pentagon, Amerika und Studio 77 . Der Filmtitel ist angelehnt an das von Daniel Libeskind konzipierte und von Michael Arad und Peter Walker ausgeführte Mahnmal am Ground Zero und verweist direkt auf den Hauptprotagonisten. So streift die 8mm-Kamera von Korpys/Löffler durch New York zu prominenten Plätzen wie dem Times Square oder der Wall Street und kehrt doch immer wieder zu den Orten um das zerstörte World Trade Center zurück. An dessen Stelle befindet sich heute das World Trade Center Site Memorial Reflecting Absence und sein dazugehöriges Museum. Beide Bauten erinnern an die tragischen Ereignisse vom 11. September 2001 und erhalten eine hohe emotionale Aufladung aufgrund ihres Standortes. Korpys/Löfflers Verwendung von Bild und Ton in Reflecting Absence erinnert dabei an eine offene Gedichtstruktur: Kurze, oftmals starre Filmaufnahmen und das fragmentierte, neu zusammengesetzte Stück ...zwei Gefühle... (1992) von Helmut Lachenmann verweben sich mit Elementen von Hintergrundgeräuschen zu einer Bild-Ton-Collage.

Der Protagonist in Anri Salas Film ist der bekannte Free-Jazz-Saxophonist Jemeel Moondoc. In schwindelerregender Höhe vor dem Fenster des 18. Stocks eines Gebäudes «schwebend» spielt der Musiker sein Instrument. Der lang gestreckte Bau steht ihm in dieser surrealistisch wirkenden Szenerie wie eine zweite Hauptfigur zur Seite. Es ist ein trister Plattenbau im Märkischen Viertel von Berlin, einer Trabantenstadt aus den 70er Jahren, dem Bewohnerinnen und Bewohner den Spitznamen «Langer Jammer» (engl. Long Sorrow) verpasst haben. Der Name wurde zum Werktitel für Salas teil dokumentarischen, teil metaphorischen Film, er lässt sich aber auch als Titel für Moondocs musikalische Improvisation lesen.

Anri Sala untersucht in Answer Me die Klangeigenschaften einer geodätischen Kuppel in West-Berlin, die während des Kalten Krieges von der National Security Agency der Vereinigten Staaten als Abhörstation genutzt wurde. Entworfen vom legendären amerikanischen Architekten Buckminster Fuller, erzeugt die einzigartige, monumentale Architektur dieses verlassenen Ortes ein gewaltiges und nachhaltiges Echo, eine Wirkung, die Anri Sala bewusst einsetzt, um den Zusammenbruch einer romantischen Beziehung zu inszenieren. Die Idee geht auf den italienischen Regisseur Michelangelo Antonioni zurück, der einmal schrieb, er habe die Trennung eines Paares filmen wollen, indem er die Stille und nicht die Konversation zwischen einem Mann und einer Frau festhielt. In Salas Film erreicht die wiederholte Bitte einer Frau, "Antworte mir", einen trommelnden Mann nicht mehr. Der narrative Rahmen, der sich aus der Eigenresonanz des Ortes, den akustischen Vibrationen und Klangfrequenzen zusammensetzt und einen unmöglichen Dialog suggeriert, drückt die feindselige Degeneration einer Beziehung und deren Zerbrechen in Raum und Zeit aus.